Ulf Abraham: Literarische Motive als hotspots poetischen Verstehens im Deutschunterricht. Die Motivik neuerer jugendliterarischer Fantastik in literaturdidaktischer Sicht
Literarische Motive werden im aktuellen literaturdidaktischen Diskurs selten ausdrücklich thematisiert. Die Gründe dafür dürften vielfältig sein. Immer wieder geäußerte Kritik an einer Art Wissensblindheit der "Kompetenzorientierung" weist aber in eine Richtung, die in diesem Vortrag verfolgt werden soll: Motive in literarischen Texten überhaupt zu erkennen, zu benennen und in ihren Funktionen für ein Textganzes zu erklären, setzt nicht nur Werkkenntnis voraus, sondern darüber hinaus Vertrautheit mit einschlägigen literarischen Stoffen in verschiedenen Literaturen und Medien. Am Beispiel der jugendliterarischen Fantastik und der ihr zuzurechnenden Genres soll gezeigt werden, wie dort Stofflichkeit in ihrer narrativen Struktur in immer wiederkehrenden Motiven organisiert ist. Gerade nichtrealistische Jugendliteratur ist Genreliteratur, und Genres leben von Motiven; sie sind von ihnen durchzogen wie von Sehnen, die ihnen Kraft und Spannung verleihen. Ein Literaturunterricht, der Lernende befähigen kann Motive als hotspots des poetischen Verstehen zu erkennen und zu nutzen, muss komparatistisch und intermedial angelegt sein und bei solchen literarischen Genres und medialen Formaten ansetzen, die die Lernenden kennen und schätzen (Fantasy, Science Fiction, Dystopie, Crossover-Texte).